Vom dreisten Reiten und der Liebe zu den edlen Pferden...

Ein Blick in die Chronik des ältesten Reitervereins Deutschlands.

Sagt Ihnen der Name Freiherr Engelbert von Landsberg-Steinfurt etwas? Wenn nicht, müssen Sie deswegen nicht gleich an Ihrem Intelligenzquotienten oder Ihrem Gedächtnis zweifeln. Es sind nämlich inzwischen immerhin 162 Jahre vergangen, seit jener Freiherr die Präsidentschaft des neugegründeten Westfälischen Reitervereins übernahm und für 43 Jahre an die Spitze derjenigen Männer trat (kaum anzunehmen, daß damals schon Frauen mit an Bord waren), die sich in Münster zur "...Hebung der Pferdezucht, der Beförderung des Sinnes für dreistes Reiten und der Liebe zu edlen Pferden..."zusammengeschlossen hatten.



Die Hebung der Pferdezucht war zunächst eins der wichtigsten Anliegen, denn ohne eine genügend große Zahl von geeigneten Pferden ließ sich eben kein Pferdesport betreiben. Und die Pferdepopulation war zur damaligen Zeit - nicht nur in Westfalen übrigens - durch zahlreiche Kriege arg dezimiert, die Pferdezucht lag regelrecht am Boden. So unternahm der junge Verein umfangreiche Bemühungen, die Zucht wieder anzukurbeln: Zum Beispiel wurden Freischeine an Züchter ausgegeben, mit denen diese die Hengste des 1826 gegründeten Landgestütes in Warendorf nutzen konnten. Der Verein kaufte auch selbst Vollbluthengste, um Veredlerblut ins Land zu bekommen. In England angekaufte Stuten wurden an Züchter ausgeliehen oder verlost.
Mit der Veranstaltung von Pferderennen versuchte man Züchter und Reiter zu motivieren, denn daß Zucht und Sport Hand in Hand gehen müssen, das war schon den damaligen Pferdeleuten klar. Es gab allerdings noch keine Turnierreiterei im heutigen Sinne. Die Leistungsprüfungen der damaligen Zeit waren eben die Rennen. Und diese Pferderennen erfreuten sich bald großer Beliebtheit und wurden zunächst auf dem Gelände der Loddenheide, auf einer allerdings recht provisorischen Rennbahn, veranstaltet. Trotzdem: 10.000 Zuschauer waren an einem Renntag keine Seltenheit. 1890 zog man vom Provisorium Loddenheide um: In der Gegend des heutigen Preußenstadions wurde eine gute Rennbahn gebaut, mehrere Renntage im Jahr veranstaltet.

Anfang des 20. Jahrhunderts stand der Westfälische Reiterverein im Westen Deutschlands an der Spitze, was die Zahl der durchgeführten Rennen und die Höhe der Geldpreise anging. Ein großer Einschnitt in der Geschichte des Vereins waren natürlich die beiden Weltkriege. Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Rennbahn quasi zerstört, es gab kaum noch Pferde, und den Menschen stand der Sinn eher nach anderen Dingen. Die Offiziersställe, die Reiter und auch viele Sportpferde geliefert hatten, gab es nicht mehr. Viele der damaligen Vereine wurden aufgelöst, die Rennbahnen verfielen allerorten. Auch der Westfälische Reiterverein begann wieder bei Null. Zunächst half man anderen Reitervereinen bei der Ausrichtung von Turnieren, denn der Turniersport mit Fahr-, Dressur- und Springprüfungen hatte nach dem Ersten Weltkrieg mit der Gründung vieler ländlicher Reitervereine einen großen Aufschwung genommen. Auch hatte man schon kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges ein eigenes Turnier veranstaltet - und zwar auf der Westerholt’schen Wiese! Doch der Zweite Weltkrieg machte die Aufbruchstimmung wieder zunichte, und es sollte schließlich bis 1955 dauern, ehe der Verein das "Turnier der Sieger" aus der Taufe hob. Der Westerholt’schen Wiese als Turnierplatz war man treu geblieben, nachdem der Platz für viel Geld erneuert und die Kriegsschäden behoben waren.



Mittlerweile sind unzählige Turnierveranstaltungen hier abgehalten worden, hat sich das Turnier der Sieger als größtes nationales Pferdesport-Spektakel längst etabliert, die Beharrlichkeit der Vereinsmitglieder und ihrer jeweiligen Präsidenten ausgezahlt. Bereits 1960 fanden in Münster zum ersten Mal Deutsche Meisterschaften statt. Die Ausrichtung der ersten Viererzug-Weltmeisterschaften ist ein weiterer Meilenstein in der Geschichte des Vereins. Damals konnte man viele neue Freunde für den Fahrsportgewinnen. 1985,1991 und 1997 wurde der Westfälische Reiterverein wieder mit der Ausrichtung der nationalen Meisterschaften beauftragt, ebenso 2001.

Im 167. Jahr des Bestehens ist der Westfälische Reiterverein nun zu fünften Mal für die nationalen Titelkämpfe verantwortlich, präsentiert sich in altgewohnter Frische, und man kann sicher sein, daß die Organisatoren rund um den derzeitigen Vereinspräsidenten Hendrik Snoek alles Menschenmögliche getan haben, um den Höhepunkt im nationalen Turnierkalender 2001 zu einem echten Reitsport-Highlight zu gestalten.